Zubereitung
Paul Bocuse, der König der Köche, muss es wissen. In seiner Koch- Bibel "Die Neue Küche" klärt uns der Wegbereiter der Nouvelle Cuisine über eine Innerei auf, die in deutschen Landen noch heute zu wenig Beachtung findet: Das Kalbbries. Monsieur Paul behauptet schwärmerich: "Das Kalbbries ist unbestritten eines der edelsten Stücke der großen, anspruchsvollen Küche." Es wird meist in verhältnismässig aufwendiger Weise zubereitet und nicht selten mit anderen teuren Zutaten garniert.
In Gesprächen mit Gern-Essern, die durchaus im Stande sind, einen Loup de mer von einer Lotte zu unterscheiden, ruft das Wort Bries oftmals eine merkwürdige Reaktion hervor: "Nein, danke - ich esse kein Hirn." Müssen Sie ja auch nicht, mein Bester!
Denn beim Bries handelt es sich um die Thymusdrüse vom jungen Kalb. Sie wird von den jungen Tieren zur Milchverwertung benötigt und bildet sich zurück, wenn das Kalb älter wird. Unsere französichen Nachbarn wissen dieses besondere Teil schon seit längerem zu schätzen. Es zählt bei ihnen zu den begehrtesten, dadurch auch teuersten Innereien. Aber auch in mediterranen Küchen hat Kalbbries seinen unangefochtenen Platz - etwa bei den Italienern und den Griechen.
Die Zubereitung erfordert ein wenig Zeit, Geduld und Muskelschmalz. Das Bries wird mindestens fünf bis sechs Stunden in mehrfach ausgetauschtem, kaltem Wasser gewässert. Experten kneten es anschließend noch so lange durch, bis auch kleine Spuren von Blutadern verschwunden sind. Das Ganze präsentiert sich schließlich schneeweiß. Anschließend das Bries in warmem Salzwasser blanchieren und schnell wieder abkühlen. Es darf nicht durchgegart sein, lediglich die äußere Schicht soll eine feste Konsistenz aufweisen.
Die weiteren Verwendungsmöglichkeiten sind vielfältig - bis hin zum Braten. Und in der neuen, leichten Küche findet das Kalbsbries nach und nach endlich den Platz, der einer edlen Zutat ebenbürtig ist. Unabhängig davon sein ein nostalgischer Blick zurück gestattet - in die Küche eines deutschen Großmeisters, der lange vor Bocuse berühmt war: Alfred Walterspiel, geborener Badenser und einst, ab 1925, Inhaber des Münchener Nobelhotels "Vier Jahreszeiten." Sein hauseigener kulinarischer Gipfelsturm: Das Bries am Tag vor der Zubereitung mit frischen Trüffelspänen spicken.
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